Dr. Anne Drescher                                     

 

Führungsfeedback baut Vertrauenskultur auf
erscheint demnächst in: der städtetag 3/2005, S.: 33-36

Führungskräfte haben entscheidenden Einfluss auf die Leistungsbereitschaft und Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Häufig ist ihnen jedoch gar nicht bewusst, dass ihr Führungsverhalten anders ankommt als beabsichtigt. Denn im individuellen Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch trauen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft nicht, ihre Unzufriedenheit mit einzelnen Verhaltensweisen ihrer Führungskraft zu thematisieren. Und andere Gesprächssituationen scheinen hierfür noch weniger geeignet.

I. Das Führungsfeedback als Chance erkennen

Das Führungsfeedback bietet die Chance, Rückmeldungen an die Führungskraft zu erleichtern. Denn im Führungsfeedback erfolgen diese anhand eines strukturierten Fragebogens, der anonym ausgefüllt und extern ausgewertet wird. Es handelt sich somit um eine besondere Form der Mitarbeiterbefragung, bei der alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer „unmittelbaren“ Führungskraft das von ihnen wahrgenommene Führungsverhalten rückmelden. Die zusammengefassten Ergebnisse dieser subjektiven Rückmeldungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden mit der Selbsteinschätzung der Führungskraft abgeglichen und in einem moderierten Prozess gemeinsam diskutiert.

Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine dienstliche Beurteilung mit entsprechenden Konsequenzen, wenn das Führungsverhalten „schlecht“ bewertet wird. Denn Führung ist immer auch ein interaktiver Prozess, der von den wechselseitigen Erwartungen abhängt, die häufig genug nicht geklärt sind. „Schlecht“ bewertetes Führungsverhalten kann somit auch bedeuten, dass die Erwartungen der Führungskraft an die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mit deren Wünschen und Erwartungen an die Beständigkeit bisheriger Arbeitsabläufe und -bedingungen einher gehen. Wo diese Bewertung nicht als Versagen der Führungskraft, sondern als Ausdruck unterschiedlicher Interessen und Erwartungen verstanden wird, kann das Führungsfeedback einen Einstieg in den Klärungsprozess dieser unterschiedlichen Erwartungen und in eine gemeinsame Verständigung über „angemessenes“ Führungsverhalten bieten. Wenn diese Verständigung gelingt, bietet es die Chance für eine Verbesserung von Kommunikation und Zusammenarbeit und in der Folge einer Weiterentwicklung der Führungs- und Vertrauenskultur.

II. Einige Erfolgsfaktoren

Wenn Führungsfeedback einen Beitrag zu einem veränderten Führungsverhalten leisten soll, muss der Einführungsprozess sorgfältig geplant und begleitet werden. Nachfolgend sind einige Erfolgsfaktoren benannt, die sich in der Praxis als wichtig erwiesen haben.

II.1 Führungsfeedback an Führungsgrundsätzen und Anforderungen orientieren

Wo Führungsleitlinien bzw. -grundsätze und ein daraus abgeleitetes Anforderungsprofil für Führungskräfte bereits vorliegen, lassen sich daraus die im Fragebogen zu formulierenden Fragen leicht ableiten.

Beispiel: Aus dem Führungsgrundsatz der Stadt Bochum „Die Führungskraft ist konfliktfähig“ wurden die folgenden Fragen für den Feedback-Bogen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter[1] abgeleitet:

Der Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Führungskraft mit entsprechenden Formulierungen:

Wo bisher keine Erwartungen an Führungsverhalten definiert bzw. gemeinsam entwickelt und kommuniziert wurden, fällt es schwer, die „richtigen“ Fragen für den Fragebogen zu formulieren. Wird beispielsweise der Mitarbeiter nach seiner Einschätzung darüber befragt, ob er seine Führungskraft als Vorbild erlebt, so kann seine Antwort „nie“ nicht automatisch als „schlechtes“ Führungsverhalten gewertet werden, wenn vorher nicht definiert worden ist, ob es zu einem guten Führungsverhalten gehört, „Vorbild“ zu sein[2] .

In diesem Fall kann mit dem Führungsfeedback durch Abfrage sowohl des wahrgenommenen Verhaltens („Meine Führungskraft ist...“) wie auch des erwarteten („Meine Führungskraft soll...“) eine Grundlage dafür geschaffen werden, sich über die insgesamt für die Verwaltung geltende Führungsgrundsätze zu verständigen. Dies setzt voraus, dass die Ergebnisse öffentlich gemacht werden, was jedoch nur in einer anonymisierten Form erfolgen sollte.

II.2 Fragebögen mit Beschäftigten und Führungskräften gemeinsam entwickeln

Da Führungsfeedback kein „neues“ Personalentwicklungsinstrument ist, liegen in der Praxis bereits zahlreiche Leitfäden hierzu und Erfahrungen hiermit vor[3]. Daher ist die Versuchung groß, sich einen „bewährten“ Fragebogen zu besorgen und ihn auf die eigene Verwaltung zu übertragen. Dies ist jedoch nur begrenzt zu empfehlen. Zum einen unterscheiden sich die Führungsgrundsätze wie auch die Anforderungsprofile für Führungskräfte von Verwaltung zu Verwaltung (und auf diese sollten die Fragen nach dem wahrgenommenen Führungsverhalten hauptsächlich abgestellt sein), zum anderen ist gerade der Prozess der gemeinsamen Formulierung der Fragen nicht zu unterschätzen, weil dabei schon eine erste Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Erwartungen hinsichtlich des erwünschten Führungsverhaltens stattfindet. Daher sollte auch ein für die Gesamtverwaltung gültiges Frageraster in den einzelnen Bereichen auf deren Besonderheiten hin angepasst werden. Hierzu kann beispielsweise im Rahmen eines 2-3-stündigen Workshops über die Ziele und das Vorgehen informiert und zugleich die Gelegenheit gegeben werden, die Fragebögen gemeinsam durchzugehen wie auch Änderungs- bzw. Ergänzungswünsche zu äußern.

Der ggf. überarbeitete Fragebogen wird anschließend an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Hinweis auf den Abgabetermin („Stichtag„) für die Rücksendung der ausgefüllten Fragebögen verteilt. Auch die Führungskraft erhält einen entsprechenden Fragebogen für ihre Selbsteinschätzung, den sie ebenfalls bis zum Stichtag ausfüllen soll.

II.3 Auswertung anonymisiert und extern vornehmen

Um sicher zu stellen, dass die Auswertung auch tatsächlich keine Rückschlüsse auf die ausfüllende Person zulässt, sollte die Auswertung durch eine „externe“ Person bzw. Stelle erfolgen. Diese „externe“ Stelle muss jedoch nicht immer eine externe Beratung sein, wenngleich sich dies bei der erstmaligen Durchführung bzw. in den „Einstiegsbereichen“ empfehlen kann. Für die Auswertungen kann genauso ein interner Bereich aus der Gesamtverwaltung gewählt werden, der jedoch für den jeweiligen Bereich gewissermaßen „extern“ sein sollte. Dies ist er dann, wenn keine intensiven Arbeits- wie auch persönlichen Bezüge zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Bereiche bestehen (und daher z.B. auch Handschriften nicht „zugeordnet“ werden können). An diese auswertende Stelle werden die ausgefüllten Fragebogen geschickt, die sie zusammenfasst und im Idealfall grafisch aufbereitet.

Wenn ein Bereich weniger als fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst bzw. sich insgesamt nicht mehr als fünf Personen an der Befragung beteiligt haben, bleibt es in der Praxis meist den Beteiligten selbst überlassen, ob die Ergebnisse veröffentlicht werden, da die Anonymität bei einer so kleinen Personengruppe nicht ausreichend gewahrt werden kann.

Zwischen Ausgabe und Abgabe („Stichtag“) des Fragebogens wie auch zwischen Abgabe und Bekanntgabe der Ergebnisse sollte nicht allzu viel Zeit vergehen. Erfahrungsgemäß sind Zeiträume von jeweils zwei bis drei Wochen machbar, so dass der gesamt Prozess innerhalb von vier bis sechs Wochen durchgeführt werden kann.

II.4 Ergebnisse reflektieren und gemeinsam besprechen

Nach der Auswertung der Fragebögen werden die Ergebnisse zunächst an die Führungskraft weitergeleitet, die diese häufig gemeinsam mit einer „externen“ Beratung[4] vor dem eigentlichen Auswertungsgespräch interpretiert. Dadurch können gezielt Fragen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Themen von besonderem Interesse vorbereitet werden. Wenngleich es meistens den Führungskräften freigestellt ist, ob sie ihre Selbsteinschätzung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterreichen, werden häufig die zu besprechenden Verhaltensweisen gerade jene sein, in denen Selbst- und Fremdbild der Führungskraft nicht übereinstimmen.

Im Rahmen des darauf folgenden Auswertungsgesprächs bzw. –workshops mit Führungskraft und Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern können die Ergebnisse Frage für Frage durchgearbeitet werden. Dabei steht es jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedem einzelnen Mitarbeiter frei, ob und wie sie bzw. er das schriftliche Feedback kommentieren will. Denn letztlich wird hierbei häufig die Anonymität aufgehoben. Allerdings kann oft nur erst durch das Benennen konkreter Beispiele ein Ergebnisse verständlich werden und auch nur dadurch erst in der Folge ein wesentliches Ziel des Führungsfeedbacks erreicht werden: dass Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter und Führungskraft konkret miteinander vereinbaren, wie die Zusammenarbeit in Zukunft verbessert werden kann.

Unterstützend kann eine Moderatorin bzw. ein Moderator eingesetzt werden, deren bzw. dessen Aufgabe darin besteht, auf das Einhalten der Spielregeln und das Erreichen von beidseitig getragenen Vereinbarungen zu achten. Hierzu bedarf es einer moderationserfahrenen Person[5], die eine „gesunde“ Distanz zum Geschehen haben sollte, gleichzeitig aber auch das Vertrauen sowohl der Führungskraft als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Spielregeln für den Auswertungsworkshop[6]

Regeln für die Führungskraft

Regeln für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

II.5 Vereinbarungen treffen und deren Einhaltung überprüfen

Wichtig für den Erfolg des Auswertungsworkshops ist es, dass Vereinbarungen getroffen und schriftlich festgehalten werden. Diese sollten so konkret wie möglich formuliert, auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft und mit einem Umsetzungstermin versehen werden.

Beispiele aus der Praxis:

Das letztgenannte Beispiel zeigt zum einen, dass Vereinbarungen nicht immer nur einen Auftrag an die Führungskraft enthalten müssen. Es zeigt zum anderen auch, dass eine Erfolgskontrolle der Vereinbarung nicht erst beim zweiten Führungsfeedback erfolgen muss (das häufig erst in zwei oder drei Jahren stattfinden wird), sondern dass es sich – je nach dem Inhalt der Vereinbarung – empfehlen kann, den Zeitpunkt für eine Überprüfung nicht in allzu weite Ferne zu legen.

III. Die Grenzen des Führungsfeedbacks

Die Durchführung eines Führungsfeedbacks beruht fast immer auf freiwilliger Basis; auch dort, wo seine Einführung verbindlich scheint[7], sind keine Sanktionen vorgesehen, wenn eine Führungskraft sich ihm entzieht. Führungskräfte, die glauben, hier nichts verbessern zu müssen oder zu können, werden sich kaum der Rückmeldung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen.

Hier könnte die Weiterleitung der Ergebnisse des Feedbacks an die nächst höhere Führungsebene eine Möglichkeit sein, dem Instrument mehr Verbindlichkeit zu verschaffen. Was aber fängt diese nächst höhere Führungsebene mit den Ergebnissen an? Erhält sie lediglich die im Workshop getroffenen Vereinbarungen, so kann aus Anzahl und Inhalt der Vereinbarungen nicht unbedingt eine Folgerung auf die tatsächlich „verbesserungswürdigen“ Verhaltensweisen geschlossen werden. Sind es nur wenige Vereinbarungen, bedeutet dies nicht automatisch, dass es nur wenig zu verbessern gibt. Auch das Weiterleiten der anonymisierten und aufaddierten Ergebnisse hilft nicht viel weiter, da diese ebenfalls interpretationsbedürftig sind. Eine „beliebte“ Führungskraft ist nicht unbedingt eine „gute“ Führungskraft[8], und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade dann, wenn ein gutes Vertrauensverhältnis zur Führungskraft besteht, offener und damit häufig auch kritischer dieser gegenüber äußern. Dies unterbleibt aber eventuell, wenn befürchtet wird, dass die Ergebnisse Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen der Führungskraft haben.

Eine weitere Grenze des Führungsfeedbacks besteht darin, dass die Ursachen für Führungsprobleme häufig nicht nur auf der Ebene liegen, auf der sie auftreten[9]. Daher wird bei der Einführung eines Führungsfeedbacks oftmals darüber nachgedacht, auch die nächst höhere Ebene in das Führungsfeedback einzubeziehen - beispielsweise dadurch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur ihrer unmittelbaren Führungskraft, sondern auch der nächst höheren ein Feedback geben. Dass es meist nur bei Überlegungen bleibt, hat mit dem in der Praxis wesentlich höheren Aufwand zu tun, das Feedback auf mehreren unterschiedlichen Ebenen durchzuführen und angemessen auszuwerten.

Insgesamt sollte aber bei allen „Verfeinerungen“ die eigentliche Zielsetzung des Führungsfeedbacks nicht aus dem Auge geraten: Es geht nicht darum, eine exakte „Bewertung“ des Führungsverhaltens zu erreichen, sondern den Einstieg in einen strukturierten und intensiven Dialog über wahrgenommenes und erwünschtes Führungsverhalten zu ermöglichen und dabei auch Führungskräften eine Lernchance zu bieten. Ob und wie regelmäßig sie diese Chance nutzen, könnte als Hinweis darauf gewertet werden, wie ihre Lernfähigkeit bzw. -bereitschaft zu beurteilen ist, und in eine dienstliche Beurteilung mit einfließen. Vielleicht würde dies dazu führen, dass die Einführung von Führungsfeedback - gemeinsam mit einem begleitendem Coaching für jene Führungskräfte, die weitergehende Schlüsse aus den Rückmeldungen ziehen - tatsächlich verändertes Führungsverhalten bewirkt.

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[1]    Hier wurden zwei Fragebögen für das Feedback eingesetzt: ein Fragebogen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Führungskraft, der die selben Punkte umfasste.

[2]    In einem Auswertungsworkshop äußerte beispielsweise hierzu die Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie ihre Führungskraft nicht als Vorbild sehen möchten, gleichwohl aber von ihrer Führungskraft erwarten, dass diese sich an vereinbarte Spielregeln genau so hält, wie sie es von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet.

[3]    - beispielsweise der Städte Berlin, München und Essen. In der Einführungsphase befindet sich das Führungsfeedback derzeit u.a. beim Landkreis Soest und bei der Stadt Bochum.

[4]    Die externe Beratung kann beispielsweise durch die Person vorgenommen werden, die die Auswertung durchgeführt hat und im Idealfall auch den Auswertungsworkshop moderiert.

[5]    Die Moderationserfahrungen sollten sich neben Erfahrungen im Einsatz von Metaplantechnik auch auf Erfahrungen bei der Steuerung gruppendynamischer Prozesse beziehen.

[6]    Auszug aus Anlage 3: Vorbereitung und Durchführung des Gemeinsamen Gesprächs, aus: Das Führungsfeedback. Information zur Vorbereitung und Durchführung für Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Vorgesetzte, hrsg. von der Stadt Essen, o. J.

[7]    Vgl. das Dritte Gesetz zur Reform der Berliner Verwaltung (VGG)

[8]    Vgl. Sprenger, R.: Aufstand des Individuums, Frankfurt 2000, S. 73

[9]    Vgl. Mauch, S.: Dienstliche Beurteilung, Berlin 2004, S. 86f.