Fragen und Antworten zur Heranbildung von Führungskräften
in: KommunalPraxis spezial Nr. 1/2004, S. 27-31
Häufig ist Blick auf die Altersstruktur der Auslöser, zuweilen die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit dem gegenwärtigen Führungsverhalten, manchmal der Wunsch der Verwaltungsspitze, die Verwaltungskultur zu ändern und/oder Entwicklungsperspektiven für engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bieten. Und auch wer sich aktiv mit der zukünftigen Entwicklung der Verwaltung auseinander setzt, kommt sehr schnell zu dem Schluss: „Wir müssen etwas für unseren Führungsnachwuchs tun!“ Dies gilt gleichermaßen für den öffentlichen Dienst wie auch für die Privatwirtschaft: Hier hat eine im Sommer diesen Jahres durchgeführte Umfrage ergeben, dass der Schwerpunkt zukünftiger Personalentwicklungsarbeit im Bereich der Führungskräfteentwicklung gesehen wird.[1] Welche Fragen bei der Heranbildung von Führungskräften zu klären sind und welche Personalentwicklungsinstrumente in welcher Weise hierfür eingesetzt werden können – darum geht es in diesem Beitrag.
1. Was spricht für eine gezielte Heranbildung von Führungskräften?
Auf eine gezielte Entwicklung von Führungsnachwuchskräften kann nicht verzichtet werden - auch wenn die sich zuspitzende Haushaltskrise, der Wegfall von Hierarchieebenen und Wiederbesetzungssperren dem zu widersprechen scheinen. Nach wie vor oder sogar mehr denn je ist sie eine wichtige Weichenstellung im Rahmen der Personalentwicklung. Führung ist eine anspruchsvolle Aufgabe, denn Führungskräften kommt heute in vielerlei Hinsicht eine „Schlüsselfunktion“ zu: Sie müssen die geforderten Veränderungsprozesse in Gang setzen und steuern, vielfältigen Rollenanforderungen gerecht werden und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die Motivation und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufrecht erhalten bleibt. Von der „wirksamen“ Führungskraft[2] wird erwartet, dass sie u.a. eine Vertrauensbasis schafft, die vorhandenen Stärken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzt, für Ziele sorgt und mit diesen führt.[3] Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Rahmenbedingungen, unter denen wirksame Führung erfolgen soll, in den letzten Jahren gravierend verändert haben: Neben der Finanzkrise sind etwa „demografische Entwicklung“, „Globalisierung“ und „E-Government“ hinreichend bekannte Stichworte.
In der Folge müssen sich Führungskräfte immer mehr mit widersprüchlichen Erwartungen auseinander setzen[4]. So wird beispielsweise von ihnen einerseits Kooperations- und Teamfähigkeit gefordert, während sie andererseits einer Situation der zunehmenden Konkurrenz und des Wettbewerbs ausgesetzt sind. Sie sollen Innovation und Veränderung vorantreiben, müssen aber gerade in Zeiten der Unsicherheit gleichzeitig auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Stabilität und Sicherheit vermitteln, die sie zum Teil nicht einmal für sich selbst empfinden. Sie sollen für Gleichbehandlung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen, gleichzeitig aber auch auf den jeweiligen Einzelfall eingehen. Diese und weitere widersprüchliche Erwartungen führen dazu, dass sich Führungskräfte immer häufiger in einer Situation befinden, die einem Dilemma gleicht, wo es nicht die „einzig richtige Lösung“ gibt. Sie müssen dabei eine hohe „Ambiguitätstoleranz“[5] aufbringen, womit die Fähigkeit bezeichnet wird, gleichzeitig auftretende Widersprüche auszuhalten, diese auszubalancieren und dabei situativ zu entscheiden und zu handeln. Dies ist aber nur eine der vielfältigen (neuen) Anforderungen, die an Führungskräfte heute und zukünftig gestellt werden. Eine gezielte Führungskräftenachwuchsentwicklung ist daher ein „Muss“ der strategischen Personalentwicklung.
Bei der gezielten Entwicklung wird im Idealfall in folgenden Schritten vorgegangen: Nach einer Bedarfsermittlung und der Formulierung der Zielsetzung für die Nachwuchsentwicklung, erfolgt die konkrete Programmplanung. Diese beinhaltet die Auswahl geeigneter Personalentwicklungsinstrumente, die Verknüpfung dieser Instrumente zu einem Konzept sowie die Ermittlung der hierfür erforderlichen Ressourcen. Diese werden in der Regel zentral bereitzustellen sein. Zur Programmplanung gehören ebenfalls Überlegungen, in welcher Form eine Erfolgskontrolle nach Abschluss der Qualifizierung erfolgen soll.
2. Wie kann der Bedarf ermittelt werden?
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Nachwuchsentwicklung sollte eine Bedarfsermittlung sein, die sowohl den qualitativen Bedarf (die Anforderungen an zukünftige Führungskräfte) wie auch den quantitativen Bedarf (die Anzahl der benötigten Führungskräfte zum Zeitpunkt X) im Blick hat.
Welche Führungskräfte brauchen wir? - Der qualitative Bedarf
Zur Beantwortung der Frage, mit welchen Anforderungen sich die (zukünftige) Führungskraft auseinandersetzen muss und welches Verhalten von ihr erwartet wird, kann das Erstellen eines Leitbildes bzw. von Führungsgrundsätzen oder -leitlinien hilfreich sein. Die Erfahrungen der Praxis zeigen vielfach, dass sich ein neu erwartetes Führungsverhalten um so besser kommunizieren lässt, je klarer es in einem grundlegenden Leitbild oder in Führungsleitsätzen festgehalten ist. Dieses Vorgehen kostet aber erfahrungsgemäß viel Zeit, da eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Leitbild auch im Alltag „gelebt“ werden, eine breite Beteiligung der Betroffenen bei der Erarbeitung ist. Allerdings ist dies gut investierte Zeit, denn so kann die Grundlage dafür geschaffen werden, dass das gewünschte Leitbild von denjenigen, die es hinterher umsetzen sollen, auch mitgetragen wird.
Aus dem Leitbild bzw. den Führungsgrundsätzen lässt sich jeweils ableiten, wie geführt werden soll. Auch wenn keine ausformulierten Leitsätze bzw. kein Führungsleitbild vorliegen, muss auf alle Fälle zur Entwicklung eines Anforderungsprofils eine Auseinandersetzung mit folgenden Fragen erfolgen:
Je unsicherer die zukünftige Entwicklung erscheint, desto eher wird bei der Festlegung der Anforderungen auf sogenannte Schlüsselkompetenzen zurückgegriffen. Unter Schlüsselkompetenzen (auch „Erschließungskompetenzen“ oder „Schlüsselqualifikationen“ genannt) werden überfachliche Kompetenzen gefasst, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Führungskräfte befähigen, sich „auf sehr viele unterschiedliche Anforderungen, Funktionen und Positionen rasch einzustellen und sie erfolgreich zu bewältigen“[6]. Solche Schlüsselkompetenzen sind beispielsweise Lernfähigkeit und Flexibilität.
Da sich je nach den unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen sowie dem gewünschten Führungsstil „vor Ort“ unterschiedliche Anforderungen an Führungskräfte herausstellen können, gibt es kein allgemein gültiges Anforderungsprofil, das gewissermaßen als „Masterprofil“ für alle Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung. Trotz aller Unterschiedlichkeit zeigen sich jedoch beim Vergleich zahlreicher Anforderungsprofile insbesondere folgende gemeinsame soziale und persönliche Anforderungen an Führungskräfte[7]:
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Soziale / persönliche Kompetenzen einer Führungskraft |
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Das Anforderungsprofil, das die Grundlage für die Heranbildung von Führungskräften liefert, sollte von jeder Verwaltung selbst entwickelt werden - unter Mitwirkung der Verwaltungsspitze, des Personalrats, der Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten sowie der Personalentwicklerin bzw. des Personalentwicklers[8].
Nach Festlegung der Anforderungskriterien und von deren relativer Gewichtung müssen diese in beobachtbare Verhaltensweisen umgesetzt („operationalisiert“) werden, um in einem späteren Schritt die Fähigkeiten einer Nachwuchskraft (ihr Kompetenzprofil) mit dem Anforderungsprofil besser abgleichen und somit den Schwerpunkt der Entwicklung bestimmen zu können.
Ob das Anforderungsmerkmal „Konfliktfähigkeit“ erfüllt ist bzw. diese Kompetenz vorhanden ist, kann beispielsweise daran gemessen werden, ob eine Person
Das Anforderungsprofil sollte - zusammen mit den einzelnen Operationalisierungen - sowohl als Grundlage für die Potenzialeinschätzung möglicher Nachwuchskräfte und für die daraus abzuleitende Planung der Maßnahmen dienen als auch für die Erfolgskontrolle, sowie für die zukünftige Besetzung von Führungspositionen. Je konkreter und beobachtbarer die einzelnen Anforderungen benannt werden, desto genauer kann die Beobachtung und Rückmeldung erfolgen.
Wie viele Führungsnachwuchskräfte brauchen wir? - Der quantitativen Bedarf
Bisher ließ sich der konkrete Bedarf aus der Auswertung der Altersstruktur und der bisherigen Fluktuationsrate ableiten. So konnte zumindest ermittelt werden, wann welche Führungspositionen frei werden und welcher Ersatzbedarf zum Zeitpunkt X besteht. Auch wenn diese Planungen schon immer mit Unsicherheiten behaftet waren - heute sind sie noch weitaus schwieriger geworden. Strukturveränderungen beispielsweise können zum Wegfall von Führungspositionen und -ebenen führen, gesetzliche Regelungen zum Renteneinstiegsalter bzw. zur Altersteilzeit den Planungshorizont plötzlich verschieben und alle bisherigen Planungen überholt erscheinen lassen.
Obwohl die quantitative Bedarfsplanung mit hohen Unsicherheiten behaftet ist, sollte nicht auf sie verzichtet werden, da sie zumindest eine Orientierungsgröße liefert, um wie viele Nachwuchskräfte es sich handelt, für die eine Entwicklung betrieben werden soll. Hierzu ist dann auch die Frage zu klären, wer als „Führungsnachwuchs“ gelten soll. In der Praxis fallen unter diese Zielgruppe sowohl
3. Welche Ziele werden mit der Führungsnachwuchsentwicklung verfolgt?
Die Ziele der Führungsnachwuchsentwicklung scheinen auf der Hand zu liegen: Zum einen geht es darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Wahrnehmung von (neuen) Führungsaufgaben vorzubereiten, zum anderen darum, die Besetzung freier Führungspositionen mit hierfür kompetenten und qualifizierten Personen zu gewährleisten. Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Ziele, die bei der Führungsnachwuchsentwicklung eine Rolle spielen können - beispielsweise: eine Möglichkeit zur kritischen Reflexion von Führungsleistung bieten, eine Veränderung der Führungs- wie auch der Verwaltungskultur bewirken, z.B. die Stärkung der Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern sowie Reform- und Veränderungsprozesse unterstützen. Auch die Umsetzung von „gender mainstreaming“[10] kann Anlass und Ziel einer Nachwuchsförderung sein.
Die Auseinandersetzung mit den Zielen der Entwicklung muss ebenfalls frühzeitig erfolgen, denn je nach Zielsetzung sollten unterschiedliche Instrumente und Vorgehensweise gewählt werden. Oder umgekehrt: die Auswahl der Vorgehensweise hat immer auch Auswirkungen auf die Verwaltungskultur. Eine weitreichende Weichenstellung ergibt sich beispielsweise aus der Beantwortung der Frage, welche Strategie der Förderung gewählt werden soll. Daher sollte diese stets im Zusammenhang mit der Zielsetzung diskutiert und entschieden werden.
Bei der Qualifizierung des Nachwuchses werden in der Praxis überwiegend zwei Strategien verfolgt: die Bildung eines Pools von Nachwuchskräften - der so genannten „Goldfischteich“ - bzw. die flächendeckende Qualifizierung - die so genannte „Breitenförderung“. Für beide Alternativen gibt es Pro- und Contra-Argumente, und beide haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Verwaltungskultur.
Die KGSt schlägt in ihrem aktuellen Bericht zum Thema Führungsnachwuchs vor, auf die frühe Identifizierung von Führungskräften im Sinne eines „Goldfischteichs“ zu verzichten und stattdessen die Potenziale möglichst vieler Beschäftigter zu fördern, auf eine eigenverantwortliche Mitwirkung jedes Einzelnen zu setzen und die Personalauswahl zu professionalisieren.[11] Ich empfehle demgegenüber eine Kombination aus beiden Strategien – z.B. ein breites Qualifizierungsangebot für Interessierte, dessen erste Module für die Teilnehmer/inne/n die Gelegenheit zur Selbsteinschätzung bieten. Spätestens nach dem zweiten oder dritten Modul sollte dann eine Potenzial- bzw. Fremdeinschätzung erfolgen - auch, um festzustellen, wer eher für eine Fach- und wer eher für eine Führungskarriere geeignet erscheint und wo hierfür die individuellen Entwicklungsschwerpunkte gesetzt werden sollten.
Ob nun eine der beiden Strategien oder eine Kombination aus beiden gewählt wird, zwei Eckpfeiler scheinen unverzichtbar zu sein: die vorherige Entwicklung verbindlicher Anforderungen, die klar kommuniziert und zur Grundlage von individuellen wie auch gruppenbezogenen Qualifizierungen werden, sowie die Besetzung zukünftig anstehender Führungspositionen mit Hilfe eines professionellen Auswahlverfahrens, das sich an genau diesen Anforderungen orientiert.
4. Wie kann ein Nachwuchsentwicklungsprogramm aussehen?
Sobald die Anforderungen benannt sind und die Strategieentscheidung gefällt ist (Goldfischteich- oder Breitenförderung bzw. eine Kombination), geht es darum, Personalentwicklungsinstrumente auszuwählen, die geeignet sind, die erforderlichen Kompetenzen bzw. Potenziale[12] zu entwickeln.
Hierfür kann unterschieden werden zwischen Instrumenten, die zur Einschätzung von Potenzialen sowie solchen, die zur (Weiter-)Entwicklung eingesetzt werden.
Welches Führungspotenzial ist vorhanden? - Instrumente der Potenzialeinschätzung
Für eine Poolbildung ist sie fast zwingend, für eine Breitenförderung eine Weichen stellende und hilfreiche Unterstützung für entwicklungswillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: die Potenzialeinschätzung (bzw. Potenzialermittlung oder -analyse). Das Potenzialeinschätzungsverfahren schlechthin gibt es – zumindest derzeit – noch nicht. Für die Einschätzung der Kompetenzen bzw. Potenziale können folgende Methoden/Instrumente eingesetzt werden[13]:
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Instrumente der Potenzialeinschätzung/-analyse |
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Die gegenwärtig in der Verwaltung am
häufigsten eingesetzten Instrumente zur Potenzialeinschätzung sind die
Vorbesetztenbeurteilung und das Assessment-Center-Verfahren (AC) als
Potenzial-AC.
Bislang waren Beurteilungen wenig geeignet, eine Aussage über Kompetenzen bzw. Potenziale zu treffen, die bei der bisherigen Tätigkeit nicht gefordert waren. Allerdings gibt es neuere Tendenzen in der Beurteilungspraxis, die zu beurteilenden Einzelmerkmale an den jeweiligen Anforderungsprofilen zu orientieren[14] und somit zumindest Annäherungswerte an die im Anforderungsprofil für Führungskräfte auftauchenden Merkmale zuzulassen – sofern bestimmte Merkmale wie z.B. Kommunikations- und Konfliktfähigkeit auf der bisherigen Stelle auch schon gefordert sind.
Bei einem Potenzial-Assessment-Center (Potenzial-AC) werden bestimmte Verhaltensweisen und Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber von mehreren, speziell dafür geschulten Beobachterinnen und Beobachtern beobachtet und ausgewertet. Bei den häufig eingesetzten Einzel- und Gruppenübungen handelt es sich in der Regel um Rollenspiele, Fallbearbeitungen/Präsentationen, Postkorbübungen und Gruppendiskussionen. Durch die verschiedenen Übungen, die sich an den Anforderungen einer Führungskraft orientieren, wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, eventuell bisher noch nicht gefragte Potenziale zum Ausdruck zu bringen. Allerdings ist es ein zeit- und kostenaufwändiges Verfahren.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Potenzial-Acs können - insbesondere wenn es sich um eine Entscheidung zum „Einstieg in den Goldfischteich“ handelt - entweder von Führungskräften vorgeschlagen werden oder sich alternativ auch selbst „bewerben“, wenn sie die allgemeinen Voraussetzungen erfüllen. Wenn die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für eine Qualifizierungsreihe über der Anzahl der Teilnahmeplätze liegt, müssen für alle nachvollziehbare und transparente Auswahlkriterien entwickelt werden.
Die KGSt empfiehlt, das Mitarbeitergespräch (MAG) stärker als bisher zur Potenzialeinschätzung zu nutzen.[15] Als Gespräch über die Entwicklung und Erhaltung der Leistung kann es dazu beitragen, dass die Verantwortung der Vorgesetzten für die Potenzialermittlung und -entwicklung gestärkt wird und ggf. ungenutzte Potenziale erkannt werden.
Die Verwaltungspraxis interessiert sich zunehmend auch für psychologische Testverfahren. Das sind standardisierte, routinemäßig anwendbare Verfahren zur Messung individueller Verhaltensmerkmale, aus denen Schlüsse auf Eigenschaften der betreffenden Person oder ihr Verhalten in anderen Situationen gezogen werden können. Die Erarbeitung, Durchführung und Auswertung eines Tests sollte allerdings nur durch Experten vorgenommen werden, was einen entsprechend hohen Kostenaufwand mit sich bringt.
Aufgrund der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der im Anforderungsprofil geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten ist im Regelfall der kombinierte Einsatz verschiedener Potenzialermittlungsverfahren sinnvoll. Auch die Selbsteinschätzung und die Einschätzung Dritter wie auch ein strukturiertes Interview können hierbei ergänzende Informationen bringen. Neben Fragen der Wirtschaftlichkeit sind der Aufwand, der zur Einsatz eines Verfahrens notwendig ist, und schließlich auch die Akzeptanz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst entscheidende Auswahlkriterien.
Wie soll die Nachwuchsförderung aussehen? - Instrumente der Qualifizierung
Das Lehrgangsmodell (Lernen in Seminarform), bei dem das Lernen losgelöst vom Arbeitsplatz erfolgt, spielt in der Praxis nach wie vor eine große Rolle. Themen und Inhalte der einzelnen Module, die häufig in einem zeitlichen Abstand von 2-3 Monaten durchgeführt werden, sind beispielsweise
Häufig wird diese Lernform bereits um Instrumente ergänzt, die das Lernen und Arbeiten stärker miteinander verknüpfen und praktisches „Erfahrungslernen“ fördern - etwa in Form von Sonderaufträgen, Stellvertretungen und Projektleitungen.
Auch die Rotation als geplanter periodischer Wechsel von und auf wertgleiche Stellen sowie die Hospitation als geplanter zeitweiliger Wechsel bzw. “Arbeitsaufenthalt“ in Unternehmen, anderen Verwaltungen oder sozialen Einrichtungen sind weitere ergänzende Instrumente, die vorrangig darauf abzielen, die Flexibilität der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern und ihren Blick über den Tellerrand zu schärfen. Beide werden in der Praxis häufig diskutiert, jedoch wesentlich seltener konkret umgesetzt.
Im Rahmen der Führungsnachwuchsentwicklung haben in letzter Zeit insbesondere die Personalentwicklungsinstrumente Kollegiale Beratung, Mentoring und Coaching an Bedeutung gewonnen, die ebenfalls in Ergänzung eines Lehrgangs eingesetzt werden können:
Die hier vorgestellten einzelnen Qualifizierungsinstrumente stellen lediglich Bausteine dar, die für die Heranbildung von Führungskräften vor Ort in ein Konzept integriert werden müssen. An der Konzeptentwicklung sollten Personalrat und Frauen-/Gleichstellungsbeauftragte beteiligt werden.
Kleinere und mittelgroße Verwaltungen, für die sich die eigenständige Durchführung einer Qualifizierung aufgrund der geringen Anzahl von Nachwuchskräften nicht lohnt, können sich mit Nachbargemeinden zusammenschließen und die Entwicklung gemeinsam durchführen bzw. durchführen lassen - z.B. von kommunalen Studieninstituten[20].
Am Ende einer zielgerichteten Qualifizierung sollte die Überprüfung der Zielerreichung stehen. Wie kann diese im Bereich der Führungsnachwuchsentwicklung aussehen? Wenn am Anfang der Entwicklung das Ziel „zukünftige Besetzung freier Führungspositionen mit internen, hierfür kompetenten und qualifizierten Personen“ stand, so kann ein geeignetes Instrumente zur Überprüfung der Zielerreichung eine professionelle Personalauswahl[21] bei der Besetzung dieser Führungspositionen sein. Stehen bei Bedarf ausreichend viele Nachwuchskräfte zur Verfügung, die auch über die erforderlichen Kompetenzen verfügen (und somit den Anforderungen entsprechen), lässt dies auf eine erfolgreiche Nachwuchsentwicklung schließen.
Zielte die Nachwuchsentwicklung auf eine Veränderung des Führungsverhaltens, sollte eine Überprüfung des Erfolges auch folgende Kriterien einbeziehen:
Geeignete Instrumente hierfür können Mitarbeiterbefragungen zum Führungsverhalten bzw. ein Führungsfeedback sein.
Auch die im Rahmen der Nachwuchsentwicklung eingesetzten Instrumente selbst sollten einer Erfolgskontrolle unterzogen werden. Dies kann ebenfalls im Rahmen von Befragungen - beispielsweise der Führungsnachwuchskräfte wie auch der jeweiligen Vorgesetzten - erfolgen.
Die Möglichkeit einer gezielten Erfolgskontrolle steht und fällt jedoch mit der klaren Zieldefinition und der Bestimmung geeigneter Kriterien bzw. Indikatoren zur Einschätzung der Zielerreichung. Am Anfang der Überlegungen zur Heranbildung von Führungskräften sollte daher immer auch eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage stehen: „Warum wollen wir etwas für unseren Führungsnachwuchs tun?“!
[1] Vgl. Manfred Becker: Die Zukunft liegt in Fördermaßnahmen, in: Personalwirtschaft 12/2003, S. 34.
[2] Vgl. Fredmund Malik: Berufsziel Führung, in: managerSeminare, April 2002, S. 30ff.
[3] ebenda.
[4] Vgl. Boris von der Linde/Anke von der Heyde: Psychologie für Führungskräfte, Freiburg 2003, S. 39.
[5] Vgl. ebenda.
[6] Vgl. hierzu Rudolf W. Lang: Schlüsselqualifikationen, 2000, S. 36.
[7] Vgl. hierzu KGSt-Bericht 3/2000: Personalentwicklung im Veränderungsprozess, S. 65, sowie: Regnet: Der Weg in die Zukunft – Anforderungen an die Führungskraft, in: Lutz von Rosenstiel/Erika Regnet/Michel Domsch (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement, 5. Auflage, Stuttgart 2003, S. 59.
[8] In manchen Verwaltungen heißen sie „Personalentwicklungsberater bzw. Personalentwicklungsberaterin“; vgl. Anne Drescher: Verwaltungen brauchen Profis für die Personalentwicklung, in: innovative Verwaltung 4/2003, S. 23ff.
[9] Vgl. Anne Drescher: Anforderungsmerkmale und Anforderungsprofil, in: Anne Drescher (Hrsg.): Handbuch zur Personalauswahl in der modernen Kommunalverwaltung, Stuttgart 2001, S. 68.
[10] Unter „Gender Mainstreaming“ werden der Prozess und die Vorgehensweise verstanden, um die Geschlechterperspektive in die Gesamtpolitik aufzunehmen.
[11] Vgl. KGSt-Bericht 8/2003: Führungsnachwuchs – auch ohne „Goldfischteich“?! Köln 2003.
[12] Die Begriffe Kompetenz und Potenzial werden häufig synonym verwendet, wenngleich der Begriff der Kompetenz eher auf die Gegenwart und die Vergangenheit (Kompetenz wurde erworben durch Lernen und durch Erfahrung) und der Begriff des Potenzials in die Zukunft gerichtet ist. Vgl. hierzu John Erpenbeck/Lutz von Rosenstiel (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung, Stuttgart 2003.
[13] Vgl. hierzu Leitfaden zur Potenzialanalyse, erarbeitet im Rahmen des 5. Lehrgangs für Personalentwicklungsberater/innen am Berliner Institut für Verwaltungsmanagement, Berlin 2003.
[14] Vgl. beispielsweise die Ausführungsvorschriften über die Beurteilung der Beamten des Verwaltungsdienstes, Senatsverwaltung für Inneres von Berlin 2000 sowie die Beurteilungsrichtlinien der Stadt Bochum vom 01.03.2003.
[15] Vgl. hierzu KGSt-Bericht 8/2003: Führungsnachwuchs – auch ohne „Goldfischteich“?! S. 31 sowie KGSt-Bericht 2/2002: Das Mitarbeitergespräch in der Praxisbewährung.
[16] Vgl. hierzu den Beitrag von Jürgen Berenfänger in dieser Ausgabe.
[17] Siehe Kim-Oliver Tietze: Kollegiale Beratung. Problemlösungen gemeinsam entwickeln, Reinbek bei Hamburg, 2003, S. 11.
[18] Vgl. hierzu Ingeborg Stahr: Mentoring für weibliche und männliche Führungskräfte in der Stadtverwaltung Essen. Stadt Essen 2001, S. 40.
[19] Vgl. Christopher Rauen (Hrsg.): Handbuch Coaching, 2. Auflage, Göttingen 2002, S. 12f. sowie S. 117.
[20] Ein Führungsnachwuchsprogramm für unterschiedliche Verwaltungen bietet z.B. das Niedersächsische Studieninstitut Hannover an.
[21] Ein professionelles Auswahlverfahren orientiert sich am Anforderungsprofil, enthält mindestens ein strukturiertes Interview und wird mit geschulten Beobachterinnen und Beobachtern durchgeführt; Vgl. hierzu Anne Drescher (Hrsg.): Handbuch zur Personalauswahl in der modernen Kommunalverwaltung, Stuttgart 2001.